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Tom drückt sich die Nase an der Scheibe platt. Ich stelle mich zu ihm und gemeinsam beobachten wir eine Weile die gelben Bagger, die in unserer Nachbarschaft auf und ab fahren. Wie große, langarmige Ungeheuer zerpflügen sie den Boden, tragen Erde ab, die dann auf Transportern weggebracht wird. Das alles wirkt durchaus beeindruckend, auch auf mich. „Na komm, zieh‘ deine Jacke an, wir schauen uns das mal aus der Nähe an“, zwinkere ich meinem Sohn zu. Das lässt Tom sich nicht zwei Mal sagen.

Wir haben Glück: Als wir heraus kommen, macht einer der Fahrer gerade Mittagspause. Als er uns staunend am Zaun stehen sieht, kommt er zu uns herüber geschlendert. Tom fasst sich ein Herz. Man sieht, dass ihn die Frage schon länger beschäftigt: „Was macht ihr eigentlich mit der ganzen Erde, die ihr hier rausschaufelt?“, will er wissen. Der Arbeiter freut sich sichtlich, hier Auskunft geben zu können: „Also, streng genommen ist das hier gar keine Erde – das ist Ton. Beim Graben sind wir hier in der Gartenstadt auf eine Tongrube gestoßen und diesen Ton tragen wir jetzt ab.“ Man kann sehen, wie im Kopf meines Jüngsten tausend Fragen rattern: „Und was passiert dann mit dem Ton? Schmeißt ihr den einfach weg?“

„Nein, nein!“ lacht der Mann im Blaumann. „Den Ton, den wir hier abtragen, bringen wir in eine Ziegelbrennerei. Daraus werden Ziegel gebrannt – und aus denen bauen wir dann wieder Häuser. So wie das da drüben, zum Beispiel!“, sagt er, und deutet mit seinem Zigarettenstummel zufälligerweise genau auf unser Haus. Tom kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: „Echt jetzt, UNSER Haus ist aus der Erde hier?“ Der Arbeiter grinst gutmütig: „Na, wenn das da drüben euer Haus ist – ja, auch da haben wir Ziegel aus Gartenstadt-Ton verbaut. Damit schließt sich der Kreislauf – der Ton bleibt quasi hier, nur dass er statt in der Erde nun in den Mauern steckt.“ Tom findet das sichtlich faszinierend.

Wir bleiben noch ein Weilchen dort stehen, während der Mann schon weiterarbeiten muss, und beobachten das emsige Treiben. Als uns kalt wird und wir zurück ins Haus gehen, sehe ich, wie Tom seine kleine Hand ehrfürchtig über unsere Hausaußenwand gleiten lässt. Ich schmunzele.